Prüfungsauftrag zu §4 Abs. 4b des EG zum Tierseuchengesetz

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Landammann,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen,

Seit einiger Zeit häufen sich die Negativschlagzeilen in den Zeitungen zur Situation der Imker und der Bienenzucht in der Schweiz. Es wird sogar nichts weniger als das Ende der Bienenhaltung heraufbeschworen. Grund für diese pessimistische Haltung gibt es allerdings mehr als genug:

Die Imker haben mit immer mehr Widrigkeiten zu kämpfen. Einerseits ist es sehr schwierig, junge Leute für dieses zeitintensive Hobby zu begeistern, andererseits wenden sich die äusseren Umstände je länger je mehr gegen die Bienenhaltung. Über die Feuerbrand- und Antibiotikaproblematik haben wir vor kurzem gesprochen. Dazu kommt die schwierige Bekämpfung der Varroa-Milbe, da es kaum Mittel gibt, die wirklich rückstandsfrei angewendet werden können. Mit der Varroa-Milbe haben diverse Virenerkrankungen in den Bienenvölkern Einzug gehalten, die nicht direkt bekämpft werden können.
Schlagzeilen macht seit einiger Zeit ein rätselhaftes Bienensterben, dessen Ursachen noch nicht bekannt sind. Auch im Aargau sind Imker davon betroffen. Die entsprechenden Verluste müssen sie aber ganz alleine tragen, da noch nicht erwiesen ist, ob eine Seuche Grund für dieses Phänomen ist. Auch die Witterung und das landschaftliche Umfeld haben einen enormen Einfluss auf die Bienen. Innerhalb von zehn Jahren sank die Zahl der Bienenvölker im Aargau um 8625 auf nunmehr 13'298, verteilt auf 1345 Imker. Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden sich beide Zahlen nochmals drastisch reduzieren, nur schon durch das hohe Durchschnittsalter der Imker! Die Zeit wird kommen, in der der Regierungsrat dem Grossen Rat einen Kredit für eine staatliche Bienenzucht unterbreiten wird, da die Bestäubung der Kulturen sonst nicht mehr gewährleistet wird! Und das kostet mit Bestimmtheit mehr als der Beitrag, den der Kanton zur Zeit leisten muss!

Man müsste meinen, dass angesichts dieser Fakten der Regierungsrat alles erdenkliche unternehmen würde, um die Rahmenbedingungen für die Bienenhaltung zu optimieren. Aber das Gegenteil ist der Fall! Im vorliegenden Gesetz sollen auch die Bienenhalter abgabepflichtig werden. Für die Bienenhalter ist es schwierig nachzuvollziehen, dass sie sich mit Völkerbeiträgen am kantonalen Tierseuchenfonds beteiligen müssen. Schliesslich ist der Hintergrund der Bienenhaltung doch etwas anders als derjenige der übrigen Tierhalter. Ich stelle daher folgenden Prüfungsauftrag auf die 2. Lesung:

„Es sei bei der Bemessung des Völkerbeitrags die enormen Leistungen der Imker und ihrer Bienen für die Landwirtschaft, die Biodiversität und die Allgemeinheit angemessen miteinzubeziehen. Es sei im weiteren zu prüfen, ob angesichts des volkswirtschaftlichen Nutzen der Bienenhaltung bei günstigem Seuchenverlauf nicht ein Nullbeitrag festgesetzt werden kann.“

Die Bienenzüchter sind der Meinung, dass ihren Anliegen in diesem Gesetz nicht genügend Rechnung getragen worden ist. Ohne eine ausreichende Bienendichte ist die Bestäubung an Obstkulturen und weiteren Nutzpflanzen nicht mehr sichergestellt. Errechnet man den Wert der Bestäubungsarbeit für die Landwirtschaft in der Schweiz, so ergibt sich daraus eine Leistung von rund Fr. 1000.- pro Bienenvolk und Jahr.

Im Gegensatz zu allen anderen Tierhaltungen ist die Bienenhaltung zwingend notwendig! Da durch das Einschleppen der Varroa-Milbe aus Asien unsere einheimischen Bienenvölker nicht mehr ohne Hilfe des Imkers überleben können und in „freier Natur“ aussterben würden, ist die Arbeit des Imkers für den Erhalt der Biene unerlässlich. Und dass ohne die Biene auch der Mensch nicht mehr lange zu überleben hat, konnte in den letzten Monaten wiederholt in verschiedenen Zeitungen und wissenschaftlichen Publikationen nachgelesen werden!

 

Die Entschädigung für die kantonalen Bieneninspektoren beträgt ca. Fr. 10'000.- pro Jahr. Dazu kommen je nach dem die Kosten für allfällige Seuchenfälle. Im Seuchenfall (Sauerbrut und Faulbrut) muss der Imker das kranke Volk abtöten und das Wabenmaterial verbrennen, bei Faulbrut sogar alle Völker auf dem betroffenen Bienenstand liquidieren. Entschädigt wird er mit Fr. 66.- pro Volk. Zum Vergleich: ein neues Volk kostet ca. Fr. 150.-. Die Kosten für Kontrolle, Labor etc. werden im Fall der Sauerbrut mit ca. Fr. 600 pro Fall (nicht pro Volk!) und im Fall von Faulbrut mit Fr. 2000.- bis 3000.- angegeben. Nun hat der Kanton Aargau glücklicherweise in den letzten Jahren zwischen 0 bis 4 Faulbrutfälle zu verzeichnen, so dass die jährlichen Kosten etwa bei Fr. 20'000.- liegen. Und laut neuester Statistik müssten die Bienenhalter Fr. 13'300.- einzahlen.
In der Botschaft werden diese Zahlen nicht einmal genannt, wohl weil der Regierung bewusst ist, dass sie sich schlecht als Argument für eine Beitragspflicht der Imker eignen. Wohl hat er es aber nicht versäumt, auf die hohen Kosten zur Varroabekämpfung hinzuweisen, die zwischen 1984 und 1995 angefallen seien. Das liegt über 10 Jahre zurück! Heute bleibt die Bekämpfung der Varroa den Imkern überlassen. Das sind Fr. 15.- pro Volk!
Schon in der Vernehmlassungsvorlage hat der Regierungsrat mit einem Beitrag von Fr. 1.- pro Volk geliebäugelt. Damals sollte noch 2/3 des Fonds durch Tierhalter geäufnet werden. In der definitiven Botschaft ist die Kostenverteilung auf 50:50 festgelegt, die Beiträge pro GVE sind daher gesunken, und immer noch sollen die Bienenhalter Fr. 1.- pro Volk bezahlen, obwohl sich der Verband Aargauischer Bienenzüchter für max. -.50 pro Volk ausgesprochen hat! Die Bienenhalter sind die einzigen, die nicht vom neuen Verteiler der Fondsbeiträge profitieren!
In der Botschaft wird ausser bei der Varroabekämpfung nirgends auf die spezifische Situation der Bienenhalter eingegangen. Auch im Vernehmlassungsverfahren hat der Kantonalverband der Aargauischen Bienenzüchter zuerst keine Einladung erhalten. Erst auf Nachfragen durfte er sich auch noch zum Tierseuchengesetz äussern. Offenbar sind die Imker eine „Quantité négligeable“, nur bei der Beitragspflicht nicht. Dem Vorstand des Kantonalverbands wurde auch klar gesagt, dass die Imker von jeglicher Entschädigung gestrichen werden, falls sie nicht in den Fond einzahlen. Dabei wäre durchaus eine Lösung mit einem Nullbeitrag möglich, solange die Seuchenfälle nicht massiv ansteigen. Für das mysteriöse Bienensterben oder andere Völkerverluste bekommen die Imker keine Entschädigung.
Der Regierungsrat will die Höhe des Beitrags der Bienenhalter in einer Verordnung festlegen, dadurch ist er dem Einflusses des Parlaments entzogen. Durch meinen Prüfungsauftrag möchte ich, dass er die Angelegenheit nochmals und unter Berücksichtigung aller Aspekte behandelt. Geschätzte Damen und Herren, es geht nicht darum, dass ein Völkerbeitrag von Fr. 1.- finanziell unzumutbar wäre, er ist einfach nicht angemessen. Ich könnte meinen Völkerbeitrag hier gleich dem Regierungsrat auf den Tisch legen, ganz ohne administrativen Aufwand. Aber darum geht es nicht. Bei jeder Gelegenheit, sei es die Delegiertenversammlung der Aargauer Imker, sei es ein anderer Anlass der Bienenzüchter,  nimmt der dort eingeladene Regierungsrat dankend das Glas Honig entgegen, das ihm überreicht wird, und versäumt es nicht zu betonen, wie sehr er die Arbeit der Imker schätze und dass der Kanton die Imker unterstütze. Dann soll der Herr Regierungsrat es doch nicht bei Lippenbekenntnissen bewenden lassen und seine Wertschätzung hier konkret unter Beweis stellen!
Unterstützen Sie daher meinen Prüfungsauftrag, damit wir auf die 2. Lesung hin einen gerechteren Vorschlag zur Kenntnis nehmen dürfen, danke. Solange diese Frage nicht zufrieden stellend geklärt ist, kann ich dem Tierseuchengesetz nicht zustimmen.

Alexandra Abbt

Der Prüfungsauftrag wurde mit 109:3 Stimmen überwiesen!