Geschätzte Stimmbürgerinnen und Stimmbürger

Was war eigentlich der Auslöser für GeRAG? Grundproblem war die so genannte „Heiratsstrafe“ für fusionierte Gemeinden. Diese wären mit dem heutigen Finanz- und Lastenausgleich wesentlich benachteiligt, da nach einem Zusammenschluss nur noch ein Grundbedarf angerechnet wird, was die eine oder andere Gemeinde von einer  ansonsten gewünschten Fusion abhalten kann. Ein anderer Handlungsbedarf hat sich nicht aufgedrängt, hat sich doch die finanzielle Situation der Gemeinden in den letzten Jahren im Ganzen hervorragend entwickelt. Wohl stehen die Gemeinden heute vor neuen Herausforderungen und sind in ihrem Handlungsspielraum durch Bund und Kanton immer mehr eingeschränkt. Diese Situation muss aber noch lange nicht zwingend in einer Fusion enden.

Der Regierungsrat hat die Abschaffung der „Heiratsstrafe“ als Vorwand benutzt, um eine Reform vorzulegen, die die ganze Gemeindelandschaft erheblich durchschüttelt, den Finanz- und Lastenausgleich, der 2006 beschlossen worden und im 2008 erstmals zur Anwendung gekommen ist, bereits wieder umkrempelt und die Gemeindeautonomie, vorsichtig formuliert, anknabbert.

Die ersten beiden Abstimmungsfragen betreffen den „Zwangsartikel“. Argumentiert wird damit, dass es für eine schlecht gestellte, strukturschwache Gemeinde schwierig ist, einen Heiratspartner zu finden, weil andere Gemeinden trotz der hier in GeRAG beschlossenen „Mitgift“ aus dem Finanzausgleich die arme Braut nicht haben wollen. Wird die Situation besser, wenn die Gemeinden durch den Grossen Rat dazu verknurrt werden? Eine Fusion sollte doch aus einer Abwägung von Vor- und Nachteilen wachsen. Auch auf freiwilliger Basis ist dies ein heikler Prozess, in dem viele offene Fragen für beide Seiten zufrieden stellend gelöst werden müssen. Eine Zwangsfusion steht demnach schon von Anfang an unter keinem guten Stern und widerspricht ganz klar der Gemeindeautonomie.

Viel schlimmer ist aber der Umbau des Finanz- und Lastenausgleichs. Zur Eliminierung der finanziellen Benachteiligung bei Fusionen wird die Streichung der Anrechnung des Grundbedarfs vorgeschlagen. Dies hat zur Folge, dass bei der Berechnung des Finanzbedarfes die Einwohnerzahl systembedingt einen viel höheren Stellenwert bekommt und so werden Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern grundsätzlich bestraft. Sie bekommen entweder zum Teil massiv weniger Beiträge aus dem Finanzausgleich oder müssen wesentlich mehr einbezahlen. Damit führt der Kanton ein eigentliches „Malus-System“ ein, mit dem eine Gemeinde für ihre fehlenden Einwohner bestraft wird, unabhängig von ihrer Funktionalität! Dies ist ganz im Sinne des Vorgängers von RR Hoffmann, für den kleine Gemeinden à priori unprofessionell und nicht funktionstüchtig sind.
Das Argument der reicheren Gemeinden, dass sie nicht mehr für die Strukturerhaltung von kleinen Landgemeinden, die finanziell nie auf einen grünen Zweig kommen, zahlen wollen, ist etwas kurzsichtig. Auch nach einer Fusion von zwei oder drei strukturschwachen Gemeinden entsteht noch keine gesunde Gemeinde, da die grundlegenden Probleme meistens regional und nicht gemeindespezifisch sind. Eine schlechte Lage kann auch eine Fusion nicht ausmerzen. Um es ganz klar zu sagen, Gemeinden, die jahrelang Finanzausgleich beziehen, haben in der Regel ein Einnahmenproblem und kein Ausgabenproblem, und die Ausgabenersparnis nach einer Fusion, das belegen verschiedene Untersuchungen, beträgt höchstens 2 %.

Auch werden die gesamten Ein- und Auszahlungen in den Finanzausgleichsfonds durch GeRAG nicht verringert, die beitragspflichtigen Gemeinden zahlen nachher einfach an die Kosten von Fusionen und an die Pro-Kopf-Belohnung von fusionierten Gemeinden. Als eine flankierende Massnahme zur Abfederung der Folgen für ländliche Gemeinden ist nun für die Berechnung des Finanzbedarfs einer Gemeinde die Gewichtung der Fläche auf Kosten der Schülerzahlen verstärkt worden. Auch das ist ein völlig falscher Schritt. Belohnt werden flächenmässig grosse Gemeinden, also auch alle, die fusionieren; die kleinen, die aber viele Familien mit Schulkindern haben und deren Zukunft damit gesichert ist, werden bestraft.

Einige wenige Punkte von GeRAG sind unbestritten, so auch die neue öV-Berechnung nach einer Fusion, da sicher niemand will, dass nach einem Gemeindezusammenschluss aus Kostengründen zuerst das öV-Angebot heruntergefahren wird. Aber diese Einzelmassnahmen hätte man problemlos und rasch durch einzelne Gesetzesänderungen durchführen können, dafür braucht es GeRAG nicht.

Zur Beseitigung der Heiratsstrafe wäre auch eine Lösung denkbar gewesen, die den  Grundbedarf nicht antastet: Beispielsweise könnte nach einem Zusammenschluss die Frist, während der die fusionierte Gemeinde die kumulierten Grundbedarfssummen der früheren Gemeinden angerechnet bekommt, wesentlich verlängert werden. So wären auch keine flankierenden Massnahmen zur Milderung der Folgen nötig. Diese führen schliesslich zu einer Verzerrung: mittelgrosse und flächenmässig grosse Gemeinden bekommen plötzlich wesentlich mehr Finanzausgleichsbeiträge, flächen- und einwohnermässig kleine Gemeinden werden mit höheren Einzahlungen oder weniger Beiträgen bestraft, ohne dass sich an der Aufgabenerfüllung oder der finanziellen Situation der Gemeinde etwas verändert hätte!

Abschliessend:

  • GeRAG geht in die völlig falsche Richtung. Unter dem Deckmantel der Stärkung der Gemeinden wird ein Bonus-Malus-System eingeführt, dass kleine Gemeinden, die selbständig bleiben können und wollen, bestraft und Fusionen belohnt. Dies führt zu neuen Ungerechtigkeiten anstatt alte abzuschaffen.
  • GeRAG stellt die Gemeindeautonomie in Frage und trägt überhaupt nichts zur Lösung der Probleme von strukturschwachen Regionen bei, weil es nur Fusionen als allein selig machende Massnahme fördert.
  • GeRAG richtet sich nicht nach der Funktionalität einer Gemeinde, sondern orientiert sich lediglich an der Einwohnerzahl.
  • GeRAG 1 ist nur der erste Schritt, weitere folgen. So ist zurzeit das 2. Paket in der Beratung, unter anderem mit Massnahmen wie obligatorische externe Bilanzprüfungen für alle Gemeinden, was entschieden der Gemeindeautonomie zuwider läuft.

Ich werde daher am 27. September 4 x NEIN sagen zu GeRAG, bitte schliessen Sie sich an. Herzlichen Dank!

Weitere Voten zu GeRAG:

Verwalten oder Gestalten? Referat zur Gemeindereform

Eintretensvotum zum Kreditantrag für das Hauptprojekt GeRAG

Eintretensvotum zu GeRAG 1. Beratung

Eintretensvotum zu GeRAG 2. Beratung