GROSSER RAT AARGAU

                                                      

 

Postulat Alexandra Abbt, Islisberg, vom 17. März 2009 betreffend Massnahmen gegen gewaltverherrlichende  Computerspiele

 

Text: Der Regierungsrat wird eingeladen zu prüfen, wie und in welchen Bereichen konkrete Massnahmen gegen gewaltverherrlichende Computerspiele zu ergreifen sind. Insbesondere sollen spezifische Projekte in den Aargauer Schulen sowie der Suchthilfe ins Auge gefasst werden. Ausserdem ist sicherzustellen, dass gerade in staatlichen Erziehungseinrichtungen kein Zugang zu Killerspielen möglich ist.

Begründung: Einmal mehr erschüttern ungeheuerliche Gewalttaten von jungen Menschen die Öffentlichkeit. Wie in früheren Fällen hat auch der Massenmörder von Winnenden exzessiv so genannte „Killerspiele“ gespielt. Neben diversen tragischen Vorfällen belegen auch verschiedene Studien einen Zusammenhang zwischen brutalen Computerspielen und realer Gewalt. Auch wenn nicht behauptet werden soll, dass gewaltverherrlichende Computergames in jedem Fall zu Gewalttätigkeiten und Brutalität führt, so ist doch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Jugendlicher aus einem problematischen Umfeld durch häufiges Spielen solcher Games schneller zu Gewalt neigt, ziemlich gross. Gerade die immer realistischere Darstellung in den Spielen prägt im Kopf der Spieler konkrete Bilder von Kriegssituationen und vom Töten eines anderen Menschen ein. Für das Abschiessen eines Feindes wird der Spieler mit Punkten belohnt. Dies alles kann zur Abstumpfung und zur Zerstörung der  Empathie führen.
Nun sind die brutalsten Computergames, die so genannten „Ego-shooter“ wohl erst ab 18 Jahren zugelassen, doch wie der jüngste Amoklauf zeigt, bei dem der Täter 17 Jahre alt war, kommen schon viel jüngere Jugendliche damit in Kontakt. Der Kanton Bern hat im Juni 2008 eine Standesinitiative überwiesen, die diese Art von Computerspielen über eine Änderung von Art. 135 StGB ganz verbieten will. Diese Initiative ist vom eidgenössischen Parlament noch nicht behandelt worden. Es ist bestimmt noch zu diskutieren, ob ein Verbot der richtige und mögliche Weg ist. So oder so besteht aber unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes Handlungsbedarf, umso mehr, als der Bundesrat auf einen Vorstoss von NR Norbert Hochreutener vom Dez. 2007 betreffend Verkaufsverbot von Killerspielen an Jugendliche unter 18 Jahren die Kompetenz dazu an die Kantone delegiert hat. Der Kanton Aargau soll vor allem in der Prävention aktiv werden, umso mehr die Eltern diesem Phänomen recht hilflos ausgeliefert sind und unsere Kinder kaum vor solchen Tätern geschützt werden können. Es ist enorm wichtig, dass Betreuungs- und Lehrpersonen sich dieser Problematik bewusst sind und sie auch mit den Kindern behandeln.
Eine Strassburger Grundschule hat beispielsweise im Mai 2008 eine Aktion durchgeführt, in der 260 Schüler für zehn Tage auf jeglichen Medienkonsum verzichteten. Ein ähnliches Projekt wäre auch im Aargau denkbar. Ebenfalls wäre eine Zusammenarbeit mit der neu entstehenden Vereinigung gegen mediale Gewalt angezeigt.

Die Antwort des Regierungsrates vom 17. Juni 2009:

 

Regierungsrat

 

 

 

Postulat Alexandra Abbt, Islisberg, vom 17. März 2009 betreffend Massnahmen gegen gewaltverherrlichende Computerspiele; Ablehnung

Aarau, 17. Juni 2009                                                                                                           09.84

 

I.

Text und Begründung des Postulats wurden den Mitgliedern des Grossen Rats unmittelbar nach der Einreichung zugestellt.

 

II.

Der Regierungsrat lehnt das Postulat mit folgender Begründung ab:

1.

Die Problematik um gewaltverherrlichende Computerspiele ist vielschichtig. Es handelt sich um ein gesellschaftliches Problem, das mit verschiedenen, mehrschichtigen Massnahmen angegangen werden muss.

Neue Medien entfalten ihre Wirkung immer erst im Zusammenhang mit sozialen und personalen Faktoren, die überdies komplex miteinander vernetzt sind. Dazu zählen unter anderem die Familie, die Schule, die Persönlichkeitsdisposition, der Lebensstil, die Gemeinde etc. Zentral ist dabei die Kumulation von Problemlagen im Sinne einer Abwärtsspirale. Belastungen in verschiedenen Lebensbereichen und der Konsum von gewaltdarstellenden Computerspielen können sich wechselseitig verstärken und sozial wie personal destruktive Wirkung entfalten.

Die alleinige Fokussierung auf präventive Massnahmen gegen gewaltverherrlichende Computerspiele wäre aufgrund dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse der falsche Ansatz. Vielmehr muss Gewaltprävention ganzheitlich angegangen werden, indem der lebensweltliche Bezug der Heranwachsenden mitberücksichtigt wird. Erst dadurch kann die Prävention erfolgversprechende Wirkung entfalten.

2.

Medienerziehung und Informatik sind fächerübergreifende Anliegen des Aargauer Lehrplans. Dabei werden auch Computerspiele thematisiert. Ziel ist, dass sich die Jugendlichen im Umfeld der allgegenwärtigen Verfügbarkeit von Computerspielen zurechtfinden und diese massvoll nutzen. Mögliche Abhängigkeiten und Auswirkungen von Computerspielen werden im Unterricht thematisiert.

3.

Dem Inspektorat des Departements Bildung, Kultur und Sport sind bisher nur einzelne Fälle von Missbräuchen mit Computerspielen während der Unterrichtszeit bekannt. Der Computer wird in der Schule als Arbeits- nicht als Unterhaltungsmittel verwendet. Deshalb bekommen Schülerinnen und Schüler kaum Gelegenheit, sich während der Unterrichtszeit mit Computerspielen zu beschäftigen. Da die Schulen den Provider selbst wählen, ist es dem Kanton nicht möglich, einzelne Internetseiten zentral zu sperren. Viele Provider bieten aber Filter an, die es ermöglichen, Webseiten mit gewaltverherrlichenden Computerspielen automatisch zu sperren. Zudem haben die Schulen die Möglichkeit, einzelne Internetseiten lokal zu sperren. Es liegt in der Verantwortung der Schule vor Ort, allfällige Massnahmen zu ergreifen. Der Kanton unterstützt die Schulen dabei mit der Orientierungshilfe "Umgang mit Gewalt im Internet und auf Mobiltelefonen", die unter www.ag.ch/gewaltpraevention aufgeschaltet ist.

Mit der Umsetzung der als Postulat überwiesenen (08.114) Motion der SP-Fraktion vom 6. Mai 2008 betreffend Massnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung der Jugendgewalt im Aargau durch Schaffung einer kantonalen Gewaltinterventionsstelle wird Gewaltprävention unter Einbezug des gesamten Lebenskontexts der Kinder und Jugendlichen angegangen. Der Umgang mit neuen Medien wird dabei ebenfalls von Bedeutung sein.

4.

Die Suchtprävention Aargau organisiert bereits Veranstaltungen zum Thema "Medien". Von den neun momentan zur Verfügung stehenden Standardveranstaltungen war das Thema "Kinder unter Strom" (Im Bann von Fernsehwelt, Games und Internet) 2008 mit 24 Anlässen die Veranstaltung mit der grössten Nachfrage.

5.

Auf nationaler Ebene sind zurzeit Vorstösse zu einem generellen Verbot von Computer-Gewaltspielen respektive zu einem Verkaufsverbot von solchen Spielen an Jugendliche und Kinder hängig. Zudem sollen gemäss Bericht des Bundesrats vom 20. Mai 2009 "Jugend und Gewalt; wirksame Prävention in den Bereichen Familie, Schule, Sozialraum und Medien" im Bereich des Kinder- und Jugendmedienschutzes vermehrt Koordinationsaufgaben durch den Bund wahrgenommen werden, weil es sich hier um einen Bereich handelt, für welchen sinnvollerweise bundesweite Grundsätze gelten sollen. Zur Verbesserung der Angebote im Bereich Information und Medienkompetenz verfolgt der Bund eine Zusammenarbeit mit der Medienbranche. In Bezug auf den gesetzgeberischen Regulierungsbedarf im Bereich der Neuen Medien und der Online-Medien wird der Bundesrat separate Berichte vorlegen.


6.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass verschiedene Massnahmen sowohl auf kantonaler wie auch auf eidgenössischer Ebene bereits in Bearbeitung sind. Mit der Umsetzung des unter Ziffer 3 dieser Stellungnahme erwähnten Postulats wird Gewaltprävention auf kantonaler Ebene umfassend angegangen. Eine alleinige Fokussierung auf gewaltverherrlichende Computerspiele ist nicht zielführend. Der Regierungsrat lehnt das Postulat deshalb ab.

 

Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 2’225.–.

 

REGIERUNGSRAT AARGAU