Leistungsanalyse - Eintretensvotum für die CVP

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Dame und Herren Regierungsräte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen

Nun ist er also eröffnet, der Kampf um die staatlichen Leistungen im Kanton Aargau! Dabei treffen zwei unterschiedliche Auffassungen von den Aufgaben eines Staates aufeinander, wie sie in dieser Deutlichkeit das letzte Mal an den Diskussionen rund um die Steuergesetzrevision hervorgetreten sind. Ihre eigene Sicht auf die Ausgangslage haben die Fraktionen heute morgen bei der Beratung zur Jahresrechnung bereits skizziert. Die CVP will aber nochmals betonen, dass vor allem ein Ausgabenproblem besteht und kein Einnahmenproblem. Die Steuereinnahmen haben sich gemäss dem Wirtschaftswachstum entwickelt, die Ausgaben und damit die staatlichen Leistungen hingegen wachsen ungebremst weiter. Natürlich ist ein rechter Teil dieses Ausgabenwachstums nicht nur hausgemacht sondern eine Folge neuer Aufgaben, die der Bund den Kantonen und Gemeinden aufgebrummt hat. So ist der höchste Kostenanstieg im Gesundheitswesen mit der Spitalfinanzierung zu beobachten, der enorme Stellenaufbau vor allem durch die diversen Justizreformen verursacht. Auf diese beiden Faktoren haben wir im Grossen Rat nur ganz beschränkt oder überhaupt keinen Einfluss, dass ist das störende an dieser Vorlage. Alle durch das Parlament steuerbaren Bereiche müssen zum Teil einschneidende Sparmassnahmen hinnehmen, um die finanziellen Folgen eines übersteigerten Sicherheitsdenken und eines geschickten Lobbying auf Bundesebene abzudämpfen.

Anstatt nun ein Sparprogramm durchzuziehen, kann man sich natürlich für eine Steuererhöhung stark machen. Das mag für die nächsten vier Jahre ja noch funktionieren, ohne die Steuerzahler zu sehr zu belasten. Aber was geschieht dann in fünf, sechs, was in 10 Jahren? Sollen dann jeweils einfach die höheren Ausgaben durch höhere Steuern wettgemacht werden? Nein, das kann nie und nimmer die Lösung sein!

Für die CVP ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen, grundsätzlich zu hinterfragen, welche Leistungen überhaupt eine Staatsaufgabe darstellen und wo wieder mehr Eigenverantwortung gefragt sein sollte. Unsere Gesellschaft bewegt sich in einer Perfektions- und Sicherheitsspirale, wie sie noch nie dagewesen ist und wie sie auf Dauer schlichtweg nicht mehr finanzierbar ist. Nach jedem Unfall, nach jedem Ereignis, durch jede noch so marginale Minderheitsgruppierung werden Forderungen an den Staat gestellt. Übervater Staat soll uns beschützen, vor allem Ungemach behüten (Moment, war das früher nicht eine andere Instanz, von der wir solches erbeten haben..?) und uns dazu erziehen, uns selber immer zu schützen, unsere Gesundheit zu bewahren und brav alle Gesetze und Regeln, die daraus resultieren, zu akzeptieren. Es ist ja nur zu unserem Besten! Und weil jede neue Aufgabe des Staates noch stärker perfektioniert werden kann, noch genauer geregelt werden muss und alle Eventualitäten abdecken soll, so wird die Reglementierungswut immer grösser, es braucht immer mehr Personal, um ein immer besseres Controlling aufzubauen. Der Staat bekommt eine Eigendynamik und bläht sich selber auf. Sich gegen diese Entwicklung zu wehren ist schwierig. Wer will denn gegen mehr Sicherheit sein, oder gegen Gleichbehandlung von Minderheiten oder gegen Prävention im Gesundheitswesen? Unser Wohlstand finanziert dies noch und in unserem durchorganisierten Alltag fällt uns die zunehmende Einschränkung unserer Freiheit sowieso nicht auf. Wir sind doch immer noch ein freies Volk, nachdem wir unsere obligatorische Krankenkasse bezahlt, unsere Kinder vorschriftsgemäss im TüV-geprüften Kindersitz transportieren, sie nicht ohne Helm aufs Velo lassen, das Auto nur noch mit Licht fahren, für den Hund einen Sachkundenachweis absolviert haben, den Abfall brav trennen und nur in den dafür vorgesehenen Gebührensäcken entsorgen, im Cheminee nur unbehandeltes Holz verbrennen und am Schluss für die ganze Verwaltung dieser Gesetze auch noch unsere Steuern bezahlen.

In der vorletzten Ausgabe des „Schweiz am Sonntag“ gab es ein sehr typisches Muster dieses übersteigerten Vollcasko-Denkens. Ich musste mich zuerst versichern, dass dies wirklich die Ausgabe vom 15. Juni und nicht vom 1. April ist! Die Überschrift lautete: „Schulwege sollen verstaatlicht werden“. Ein vom Bund anerkannter Fachverband (!) fordert, dass die Behörden und nicht mehr die Eltern für den Schulweg verantwortlich sind. Die Behörden haben dabei für einen zumutbaren Schulweg zu sorgen. „Zumutbar“ bedeutet, dass ein Kindergärtner keine Strasse überqueren muss. Übervater Staat soll also schützend seine Hand über die Kinder auf dem Schulweg halten, so dass sich die Eltern, nachdem ihr Kind die Haustüre hinter sich geschlossen hat, überhaupt nicht mehr kümmern müssen. Vermutlich werden dann alle Kinder vom Sammeltaxi zu Hause abgeholt und ins Schulhaus gekarrt, weil das offenbar die einzig zumutbare Variante ist. Ob diese Kinder dann jemals den Umgang mit Gefahren im Strassenverkehr lernen und selbständig werden, ist fraglich. Abgesehen von den Kosten und den vielen teuren Gerichtsverfahren, die ein solches Gesetz mit sich bringen würde, braucht sich dann keiner zu wundern, wenn die Defizite in der kognitiven und motorischen Entwicklung unserer Kinder weiter zunehmen…

Liebe Kolleginnen und Kollegen, solchen Bestrebungen müssen wir auf jeden Fall entschieden entgegentreten, eine ständig bevormundete Gesellschaft ist nicht mehr handlungsfähig und es ist ein Irrglaube, dass jeglicher Schicksalsschlag durch Prävention und staatliche Aufsicht abgewendet werden kann.

Nun stehen wir aber vor der Beratung der konkreten Leistungsanalyse, und leider muss ich das hier feststellen, eine grundsätzliche Überprüfung des Staatsapparates ist es nicht. Vielmehr werden hier Gebühren erhöht, dort Beiträge gekürzt und es sind verschwindend wenige Massnahmen, die wirklich via Gesetz ganz konkrete Aufgaben streichen. Auch scheint uns die Verwaltung als Ganzes etwas gar gut weggekommen zu sein. Daher finden wir es auch unverständlich, dass unser Vorstoss für eine externe Überprüfung der gesamten kantonalen Verwaltung so wenig Unterstützung findet. Natürlich wurde in der Vergangenheit sehr grosszügig auf externe Berater zurückgegriffen und auch für die CVP ist klar, dass dies ein kostspieliges Mittel ist. Angesichts der Grösse der Aufgabe scheint es uns aber doch angemessen und sogar zwingend, eine Aussensicht auf die Abläufe in der kantonalen Verwaltung zu erhalten, umso mehr uns Grossräten der Einblick durch WOV doch ziemlich erschwert ist. Aus diesem Grund unterstützt unsere Fraktion auch den Prüfungsauftrag, den Personalaufwand für das Verwaltungspersonal um 2 % zu senken.

Man kann der Bevölkerung kaum erklären, weshalb sie für den Instrumentalunterricht auf der Sek II-Stufe nun bezahlen sollen, weshalb der Vermögensverzehr bei Altersrentnern im Heim erhöht, weshalb mehr Gebühren für die selbe Leistung fällig werden, und dabei nicht auch substanziell in der Zentralverwaltung gespart wird. In der Kommissionsberatung war verschiedentlich von „Opfersymmetrie“ die Rede, und diese sollte auch zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung zum Tragen kommen.

Die CVP wird den beantragten Massnahmen gemäss Regierungsrat grossmehrheitlich zustimmen, ebenso den Prüfungsanträgen auf die zweite Lesung und den Anträgen zur Umsetzung. Zu einzelnen umstrittenen Massnahmen werden wir uns noch in der Detailberatung äussern.

Für die CVP ist die Leistungsanalyse zwingend notwendig, kann aber in der vorliegenden Form nur der Beginn einer echten Aufgabenüberprüfung sein. Hiermit soll ein stetiger Prozess angestossen werden, damit eine vernünftige und bezahlbare staatliche Leistung erhalten werden kann, ohne die Bürgerinnen und Bürger zu stark zu bevormunden oder aus ihrer Eigenverantwortung zu entlassen. Dieser Mittelweg zwischen den beiden extremen Staatsauffassungen war schon immer Ziel unserer Politik, denn nur so kann Freiheit bewahrt und trotzdem Wohlstand für alle gesichert werden.

Alexandra Abbt, Islisberg