Von Quoren und Querulanten - das neue Grossratswahlgesetz

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Regierungsrat,
werte Kolleginnen und Kollegen,

Es wurde heute morgen die Befürchtung geäussert, dass ohne Quorum in Zukunft sämtliche Kommissionssitze im Plenum wiederholt werden. Und was machen wir denn jetzt gerade?
Was hier aber ganz deutlich festzuhalten gilt: Mit der Systematik des doppelten Pukelsheimer bekommt der Kanton Aargau ein Wahlgesetz, der Wählerwille ganz klar abgebildet wird, also Demokratie in ihrer reinsten Form. Was aber geschieht hier in diesem Parlament? Anstatt wir diese einmalige Chance wahrnehmen und wir dieses System unverfälscht zur Anwendung bringen, geht es offenbar plötzlich um die Bewahrung von Pfründen. Es wird ausgerechnet, mit welchem Quorum die eigene Partei am meisten Sitze halten könnte, ohne einige an kleine Parteien oder Splittergruppen abgeben zu müssen. Selber schuld, wer keine der etablierten und grossen Parteien wählt, seine Stimme wird dann nichtig!

Das kann doch nie und nimmer Sinn der Sache sein! Am meisten erstaunt mich, dass die Anträge auf die höchsten Quoren gerade von der SVP kommen, die sich sonst immer gerne als Retterin und Bewahrerin der Demokratie in den Vordergrund rückt. Und mit welchen Argumenten wird quer durch die Fraktionen für ein Quorum gekämpft? Mit der „Effizienz des Ratsbetriebs“, mit der übermässigen Redezeit, die Einzelpersonen in Anspruch nehmen könnten. Wird dieser Begriff von der Regierung im Bezug auf die Gemeinden gebraucht, vermuten wir hinter dem Schlagwort „Effizienz“, wohl nicht zu Unrecht, einen Abbau der direktdemokratischen Rechte. Oft genug müssen wir uns ja dagegen wehren. Dass aus den Reihen des Grossen Rats jetzt gerade mit demselben Wort argumentiert wird, um unbequeme mögliche Ratsmitglieder abzuwehren, entbehrt jeglicher Konsequenz. Kann unsere Demokratie nicht ein paar mitunter lästige „Einzelmasken“ verkraften? Die Befürworter eines Quorums verweisen gerne auf die letzte Legislaturperiode, in der einzelne Exponenten tatsächlich unverhältnismässig viel Zeit in Anspruch genommen haben und mit unsäglichen Vorstössen Regierung, Verwaltung und Grossen Rat in Trab gehalten haben. Aber, Hand aufs Herz, gibt es diese Exponenten nicht auch innerhalb der etablierten Fraktionen? Ausserdem wurde mit der Verkleinerung des Grossen Rates bereits schon ein natürliches Quorum geschaffen, indem nun nicht mehr ein Zweihundertstel aller Stimmen für einen Grossratssitz reichen, sondern ein Hundertvierzigstel, was für einen Sitz rund 40% mehr Stimmen ausmacht. Damit dürfte die Hürde für einen einzelnen, nur  regional aktiven Querdenker doch ziemlich hoch liegen. Wenn aber jemand genügend Stimmen für einen Sitz erreicht, ist es eine krasse Missachtung der Wähler, wenn diese Person durch ein Quorum dann doch nicht im Parlament Einsitz nehmen kann. So motiviert man niemanden zum Gang an die Urne, im Gegenteil, wir fördern noch die Staatsverdrossenheit. Zuletzt wäre auch die Latte für unsere Jungparteien unverhältnismässig hoch.
Heute haben wir Parlamentarier es in der Hand. Nutzen wir diese Gelegenheit doch und geben wir dem Aargau ein wirklich demokratisches Wahlgesetz, in dem jede einzelne Stimme zählt und gezählt wird, und lassen wir uns nicht von kurzfristigem Besitzstanddenken leiten. Es geht hier nicht einmal primär um die Verfassungsmässigkeit, sondern um eine Grundhaltung und um Achtung den Aargauerinnen und Aargauern gegenüber! Die Bevölkerung goutiert ein Quorum nicht, und wir als Parlament werden unglaubwürdig.

 

Alexandra Abbt