Leider wollte der Grosse Rat von einer Ermöglichung von Waldweiden im Waldgesetz nichts wissen. Unabhängig von meinem Votum ging es vor allem um Ideologien...

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Regierungsrat, liebe Kolleginnen und Kollegen

Seit dieser Vorstoss das erste Mal traktandiert worden ist, sind einige Wochen ins Land gezogen. In dieser Zeit habe ich Reaktionen darauf erhalten, die mir gezeigt haben, dass die grüne Seite Angst davor hat, der landwirtschaftlichen Nutzung des Waldes Tür und Tor zu öffnen und den strengen Waldschutz aufzuweichen, die Landwirtschaft hingegen befürchtet wieder neue Vorschriften und die Forstwirtschaft ist sowieso nicht begeistert.

Es ist mir daher wichtig, die Motivation hinter diesem Anliegen zu zeigen. Wir alle wissen, dass es um die Artenvielfalt im Mittelland nicht sehr gut bestellt ist. Was zur Zeit stattfindet, ist ein Kampf ums Land, Land für neue Siedlungsgebiete, Land für die Landwirtschaft, Land für die Erholung von immer mehr Menschen, Land für die Natur. Diese Reihenfolge entspricht der politischen Realität. Und irgendwo dazwischen steht der Wald, der per Gesetz von der Besiedelung geschützt ist und auch bleiben soll, aber alle anderen Nutzungen in sich vereinigt und gleichzeitig das wichtigste Rückzugsgebiet für die heimische Tierwelt darstellt. Es bereitet mir persönlich schon Sorgen, wenn ich die Entwicklung in unserer Landschaft sehe, kann aber andererseits sehr wohl verstehen, wenn sich unsere Landwirte gegen immer mehr Vorschriften wehren. Ich halte die persönliche Freiheit hoch und auch den Wert des Eigentums und lasse mir auch nicht gern in meine Arbeit dreinreden. Aber Besitz heisst auch Verantwortung.
Sehen Sie, ich selber kann weder den Feldhasenbestand retten noch den Wiedehopf vom Aussterben bewahren. Das kann ich mit meinen 700 m2, die mein Grundstück umfasst, schlichtweg nicht. Auch bin ich als Imkerin angewiesen auf Bauern, die gewissenhaft und nachhaltig produzieren, einmal falsch gespritzt und meine Bienen sind hin oder der Honig ist nur noch für die Kehrichtverbrennung. Ich kann als Nicht-Landwirtin auch kein Land dafür kaufen, denn es ist durch das bäuerliche Bodenrecht der landwirtschaftlichen Produktion gesichert. Nur die Landwirtinnen und Landwirte können als Grundbesitzer mithelfen, unsere reiche und vielfältige Flora und Fauna zu bewahren und darum  ist die Allgemeinheit auf ihre Kooperation angewiesen.
Doch wie erwähnt, immer mehr Vorschriften und Auflagen für Produzenten, die in ihrem Selbstverständnis mehr sein wollen als Landschaftsgärtner, können den Willen zur Zusammenarbeit doch ziemlich strapazieren, das ist mir bewusst. Was also ist zu tun, um ökologische und ökonomische Interessen zum Nutzen aller irgendwie zusammen zu bringen?

Meiner Meinung nach funktioniert das durch Projekte, die einerseits die Artenvielfalt fördern und andererseits der Landwirtschaft ermöglichen, neue Produktionszweige zu eröffnen oder immerhin ihren persönlichen Spielraum zu vergrössern. Eines dieser Projekte ist die Waldweide. Die Waldweide ist eine alt hergebrachte Nutzungsform der Wälder und beschränkt sich nicht auf die in der regierunsrätlichen Antwort erwähnten Dauerbeweidung oder Sammeln von Streu und Futter, was im 19. Jahrhundert tatsächlich zur Übernutzung geführt hat. Mein Vorstoss zielt in keiner Weise darauf ab, dass plötzlich wieder ganze Waldstücke eingezäunt und ganzjährig beweidet werden sollen. Dass dies weder ökologisch sinnvoll noch für den Naherholungsraum Wald wünschenswert ist, darin gehe ich mit dem Regierungsrat einig.

Die grossen Naturwälder in Europas Nordosten zeichnen sich durch eine grosse Artenvielfalt aus, da die grossen Huftiere, die dort noch wild leben, die Landschaft durch ihre Beweidung prägen und neben dichtem Baum- und Buschdickicht auch offene, parkähnliche Flächen schaffen, die wiederum Heimat für viele lichthungrige Pflanzen und daher für Insekten, Vögel und Fledermäuse bieten. Im Alpenraum ist die Entwicklung gegenläufig. Dadurch, dass Alpen nicht mehr bestossen werden, droht eine Vergandung und damit eine Verarmung der Artenvielfalt, die gerade durch jahrhundertelange Nutzung entstanden ist.
Mit diesem Vorstoss können Anreize für Waldbesitzer geschaffen werden, in geeigneten Gebieten solche Projekte, natürlich ausdrücklich mit klaren Rahmenbedingungen, zu initiieren. Bereits realisierte Versuche zeigen ja eine positive Wirkung, wie auch der Regierungsrat in seiner Antwort festhält. Die von ihm erwähnten Risiken halte ich aber für nicht so gross. Da solche Waldweiden nur für wenige Wochen eingezäunt werden, ist die Störung für die Wildtiere minimal. Zudem muss selbstverständlich geeignetes Zaunmaterial verwendet werden. Die Krankheitsübertragung zwischen Wild- und Nutztieren kann auch über am Waldrand gelegenen Viehweiden zustande kommen und die Störung des Wildes durch Kontrolle und Betreuung des Weideviehs steht in keinem Verhältnis zu der bereits vorhandenen Störung durch Biker, Jogger, Spaziergänger und sonstigen Freizeitaktivitäten.

Es ist erfreulich, wenn der Regierungsrat in seiner bisherigen Praxis fortfahren und trotz seiner Vorbehalte sinnvolle Waldweideprojekte realisieren will. Unter diesen Umständen hätte er auch mein Postulat entgegen nehmen können. Klare gesetzliche Grundlagen dafür sind wünschenswert, so dass die Rahmenbedingungen für alle Interessierte ersichtlich sind und auch dazu einladen, sich Gedanken über ein allfällig neues Projekt zu machen. Und vor allem auch, um dieses Missverständnis auszuräumen, dass eine vollständige Liberalisierung angestrebt wird und einfach die landwirtschaftliche Weidefläche ausgedehnt werden soll. Durch die Form des Postulates besteht ja ein beträchtlicher Handlungsspielraum, und vielleicht können sowohl Landwirtschaft als auch Forstwirtschaft und Naturschutz noch einige gute Ideen einfliessen lassen. Ich halte daher an meinem Vorstoss fest und danke Ihnen, wenn sie mich unterstützen.