An der Jahresversammlung der CVP Bezirk Bremgarten vom 20. Mai 2010 bin ich als Präsidentin zurückgetreten. Mit ein paar Gedanken zur parteipolitischen Lage und zu unserem Auftrag als Politikerinnen und Politiker habe ich mein Amt meinem Nachfolger Karl Kaufmann aus Zufikon übergeben:

 

Rücktrittsrede als Präsidentin der CVP Bezirk Bremgarten

Liebe CVP-Familie

Da ich mein Amt als Präsidentin der Bezirkspartei wie vor einem Jahr angekündigt niederlege, will ich nicht noch eine lange Rede halten. Es ist bestimmt von grösserem Interesse, was mein Nachfolger Karl Kaufmann zu sagen hat. Doch erlauben Sie mir noch ein paar Bemerkungen zur politischen Lage, wie ich sie als Grossrätin und als Gemeindeammann sehe. Unsere Gesellschaft befindet sich auf der Suche nach verbindlichen Werten, die uns Halt geben soll in einer globalisierten Welt. Ganz entsprechend dem immer stärker hervortretenden Individualismus führt diese Suche jeden Menschen auf einen anderen Weg und zu anderen Zielen. Allgemein verbindliche Grundsätze sind rar. Und in dieser Zersplitterung und Vereinzelung werden wir mit anderen Kulturen und anderen Religionen konfrontiert, die ihr Weltbild auf ganz fundamentalen Glaubenssätzen und Geboten aufgebaut haben. Konflikte sind vorprogrammiert.
Gleichzeitig zwingen uns das wirtschaftliche Umfeld und die weltweiten Umweltprobleme zu einem Hinterfragen und einem Umdenken unserer „Alles ist möglich“- Mentalität. Die Politik ist gefordert wie noch nie.

Nur, was läuft in der Politik, wie reagieren die Politikerinnen und Politiker auf diese Herausforderungen? Die Parteien ziehen sich auf kompromisslose Positionen zurück, um bei der Bevölkerung zu punkten. Es steht nicht mehr die Lösung eines Problems im Vordergrund, sondern die kompromisslose Haltung, die sich auf drei Schlagworte reduzieren lässt. Vor allem die Pole werden immer radikaler, aber auch in der so genannten politischen Mitte orientieren sich manche an dieser Entwicklung. Wenn der FDP-Generalsekretär sagt: Provokation als Profilierung! Dann hat das nichts mehr mit einer konstruktiven Politik zu tun. Möglicherweise gewinnt man so kurzfristig Wahlen, aber was bringt dies der Gesellschaft?

Auch unsere Partei hat Wahlen verloren, da gibt es nichts zu beschönigen. Unsere Politik lässt sich nur schwer auf drei knackige Schlagworte reduzieren. Die christlichen Werte, wie sie zur Zeit bei der CVP Schweiz diskutiert werden, interpretiert wahrscheinlich jedes Mitglied etwas anderes. Kann ein Staat, also ein abstraktes Gebilde, christlich sein? Ich bin der Meinung, nein, christlich denken und handeln können nur die einzelnen Bürgerinnen und Bürger. Der Staat soll auf christlichen Grundwerte aufgebaut sein, aber christliche Nächstenliebe, Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Schöpfung, Achtung des Lebendigen, diese Aufgaben muss jeder und jede einzelne von uns übernehmen, und damit auch unsere Politikerinnen und Politiker. Das heisst, dass man das Wohl der gesamten Gemeinschaft im Auge behalten muss und folglich, dass man Probleme löst und nicht stur auf seinen Positionen beharrt. Christliches Bürgertum verlangt aber auch ganz stark Eigenverantwortung. Nur wer für sich selbst und für sein eigenes Leben die Verantwortung tragen kann, kann sie auch für die Mitmenschen und für unseren Staat übernehmen. Verantwortung und Eigenverantwortung gehören ganz klar zusammen.
Und aus diesem Verantwortungsgefühl heraus ist es auch nicht immer einfach, zu einem konkreten Problem eine ganz klare Position zu beziehen. Wir müssen die Anliegen und Argumente von allen Seiten hören und in unseren Vorschlag zur Lösung mit einbauen. Dass natürlich jeder einzelne diese Anliegen und Argumente unterschiedlich gewichtet, liegt auf der Hand. Unsere oberste Richtschnur muss unser Gewissen sein.
Nun, wenn Sie jetzt denken, das tönt jetzt aber wieder nach Wischi-waschi und so kann man keine Wahlen gewinnen, dann mögen Sie recht haben. Und wenn wir keine Wahlen gewinnen, haben wir nicht die nötige Durchsetzungskraft für unsere Lösungsansätze und für unsere Politik. Eine grundlegende Aufgabe wird es in Zukunft sein, unsere christliche Politik richtig zu kommunizieren, ohne dass wir Rezepte und Methoden anderer Parteien kopieren.

Persönlich bin ich überzeugt, dass nur der Tatbeweis und unser Leistungsausweis am Schluss zählen. Mag sein, dass dies im Moment nicht dem Zeitgeist entspricht, aber wesentlicher finde ich, dass wir uns und unseren Werten treu bleiben. So bewahren wir Konstanz und Glaubwürdigkeit. Ein typisches Resultat ist es doch, dass wir zwar in den Parlamentswahlen verloren haben, in den Gemeindebehördenwahlen uns aber ganz gut geschlagen haben. Das zeigt doch, dass man unserer Partei zwar nicht die Bissigkeit zutraut, die man offenbar in einem Parlament wünscht, hingegen die Umsicht und das Verantwortungsbewusstsein schätzt, das in einem Exekutivamt, in dem täglich ganz konkrete Probleme und Schwierigkeiten gelöst werden müssen, benötigt wird. Und darauf müssen wir alle aufbauen, wir müssen zeigen, dass unsere Leute in den Gemeinderäten, in den Schulpflegen, Finanz- und anderen Kommissionen gute Arbeit leisten und dass sie damit gut gerüstet sind für ein Amt in der Legislative. Wir alle müssen das Vertrauen in unsere Politik und in unsere Behördenmitglieder stärken. Dies kann man nur mit Taten, nicht mit Floskeln, nicht mit Schlagworten, nicht mit Provokationen. Der Wille, die Stärken unseres Gemeinwesens zu bewahren und uns den zahlreichen Herausforderungen zum Wohle aller zu stellen, muss erkennbar sein. Das funktioniert im täglichen Leben einfach nur mit Kompromissbereitschaft und mit Umsicht, nicht mit knackigen Parolen. Es funktioniert auch nicht mit Machtgehabe und Häme den Schwächeren gegenüber, sondern mit Anstand und der nötigen Demut. So heisst es schon im Evangelium: „Wer unter euch gross sein will, der sei euer Diener, und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht.“
Grossartige Worte, die uns den Weg aufzeigen: denn sind wir von der Tragfähigkeit unserer Ideen und unserer Werte überzeugt, dann müssen wir auch konsequent dafür einstehen. Unsere Gesellschaft braucht Menschen, die ihren Auftrag im Dienst am Gemeinwesen und in der Vertretung unserer Werte und unseres Gewissens sehen und die dafür in der Kraft Gottes als Kämpfer auftreten. Ich bin überzeugt, dass mein Nachfolger sein Amt mit diesem Ziel vor Augen antritt. Und ich bin sicher, unsere Partei kann auch auf Sie alle, in Ihren verschiedenen Aufgaben und Positionen, in Zukunft zählen.
Während meiner Amtszeit als Präsidentin der CVP Bezirkspartei durfte ich viele Mitglieder kennenlernen, die sich als Ortsparteipräsidentinnen und –präsidenten, als Behördenmitglieder und  als Helfer enorm für die CVP engagiert haben. Es war für mich beeindruckend, wie viel Arbeit überall geleistet wurde und stets wird, all die engagierten Diskussionen, interessanten GVs, die Rückmeldungen und Meinungen, die an mich herangetragen wurden. Für diesen Einsatz, für Ihr Engagement und Ihre Treue zur CVP, aber auch für Ihr Vertrauen, dass Sie mir entgegen gebracht haben, danke ich Ihnen ganz herzlich. Es war schön, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, und ich freue mich, dies auch weiterhin als Mandatsträgerin zu tun.
Ganz herzlich bedanke ich mich auch bei meinen Kolleginnen und Kollegen in der Parteileitung, die sehr viel geleistet haben, die bereit waren, zahlreiche Aufgaben zu übernehmen und die trotz ihrer anderen Ämter und Engagements beruflicher und politischer Art viel Zeit und Kraft in die CVP investiert haben. Sehr froh bin ich, dass alle anderen bereit sind, weiterzuarbeiten, so dass mein Nachfolger mit einem Spitzenteam starten kann.

Alexandra Abbt, Mai 2010