Eintretensvotum zum Projekt "Gemeindereform Aargau GeRAG"

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Regierungsrat,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen

Wahrscheinlich habe Sie erwartet, dass sich Vertreter aus kleinen Gemeinden hier zu Wort melden. Sie sind ja besonders und vor allem im negativen Sinn von GeRAG betroffen. Bereits vor einem Jahr habe ich den Kredit für das Projekt abgelehnt, weil die Stossrichtung in die falsche Richtung geht. Es wurde damals verschiedentlich versichert, dass es sich bei dem Geschäft ja nur um eine Kreditvorlage handle, um die ganze Angelegenheit einmal zu untersuchen. Die Vorschläge des Regierungsrates seien nur eine Möglichkeit, diese Problematik anzugehen.
Aber wie es vorauszusehen war, unterschied sich die Anhörungsvorlage kaum von den Vorschlägen in der Kreditvorlage. Was nun schliesslich als Botschaft heute beraten wird, hat vor allem noch etwas kosmetische Änderungen hinter sich und ändert an der Grundhaltung der Regierung, dass kleine Gemeinden à priori unprofessionell seien und ihre Aufgaben nur ungenügend erfüllen können, nichts. Es war ja auch nichts anderes zu erwarten, schliesslich stützt sich die Regierung immer noch auf dieselben Leitsätze zur Gemeindeentwicklung ab, wie sie auch in der vorliegenden Botschaft erwähnt sind.

Ich werde jetzt nicht mehr dieselben Argumente wiederholen, wie ich sie schon in der Beratung der Kreditvorlage vorgebracht habe. Wir Vertreterinnen und Vertreter der kleinen Gemeinden sind hier und heute sowieso nur Rufer in der Wüste. Der Kanton hat es uns ja selber vorgerechnet: Wir repräsentieren nur 41 % der Bevölkerung. Dass es sich dabei um jene 41 % handelt, die ihre Eigenverantwortung sehr stark wahrnehmen, die am häufigsten bereit sind, sich für unser Gemeinwesen zu engagieren und selber aktiv zu werden, scheint ja offenbar nicht so wichtig zu sein.

Was ist denn eigentlich Auslöser dieser ganzen Reform? Ein Problem bezüglich des FLA gilt es zu lösen, nämlich die finanzielle Benachteiligung einer fusionierten Gemeinde, was zahlreiche Gemeinden von einem Zusammenschluss abschrecken lässt. Was aber hier mit GeRAG vorliegt, geht viel, viel weiter und bezweckt geradezu die Umkehrung des Ausgangsproblems. Der Finanzausgleich ist nach dem Gesetz für FLA, §1 dazu da, “die Unterschiede in Mittelausstattung und Lasten der Gemeinden zu reduzieren“. Wenn man nun dieses Geld dazu benutzt, Fusionen zu finanzieren und zu entgelten, schöpft dies schon einen eher grossen Interpretatonsspielraum des Artikels aus. Wird der Grundbedarf in Zukunft nicht mehr angerechnet, gereicht dies allen Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern erheblich zum Nachteil. Entweder erhalten sie deutlich weniger Finanzausgleichszahlungen oder sie müssen einen höheren Betrag in den Finanzausgleichstopf einzahlen. Folglich wären praktisch alle Gemeinden mit weniger als 700 Einwohnern und ein Grossteil der Gemeinden bis 2000 Einwohner existenziell in Frage gestellt. In dieser Konsequenz wollte dies offenbar nicht einmal der Regierungsrat, da er selber flankierende Massnahmen vorschlägt, nämlich die Senkung des massgeblichen Steuerfusses zur Berechnung der Ertragskraft. Nun zeitigt diese Korrektur aber eine wenig wünschenswerte Verzerrung; Gemeinden ab 2000 Einwohner erhalten plötzlich Finanzausgleich, obwohl sie diesen bis dahin nie bekommen hatten: eine Umverteilung findet statt.
Nachdem diese in der Vernehmlassung bemängelt wurde, bekommen wir noch kompliziertere Varianten serviert, um die Umverteilung der flankierenden Massnahmen zur Streichung der Anrechnung des Grundbedarfs wieder abzumildern. Also einerseits will man offenbar mit Hilfe der Finanzen Druck auf die Gemeindestrukturen ausüben, aber auch nicht zu sehr, um für das ganze Projekt doch noch eine theoretische Zustimmung von über 50% der Aargauer Bevölkerung zu erhalten. Es wird geschraubt und gedreht.
Im vorliegenden Vorschlag soll die Gewichtung der Finanzbedarfsgrössen geändert und die Fläche der Gemeinde eine stärkere Bedeutung erhalten. Ich finde das keine zukunftsgerichtete Entscheidung. Bestraft werden jene, die viele Familien und hohe Schülerzahlen und damit auch hohe Bildungskosten zu tragen haben. Dabei müsste man doch gerade solche Gemeinden fördern! Was kann eine Gemeinde an der Grösse ihres Gemeindebanns ändern? Ja, natürlich, sie kann fusionieren, und damit wären wir wieder beim ausschlaggebenden Punkt: Mit der stärkeren Gewichtung der Fläche werden wiederum Gemeindezusammenschlüsse belohnt! Die Konsequenz im ganzen Projekt läuft tatsächlich immer darauf hinaus. Aber wie sollte es auch anders sein, da ja die Regierung ihrem Leitsatz 13 treu bleiben muss, der da heisst:
Im ländlichen Raum sollen sich kleine Gemeinden wo möglich im Verbund mit grösseren Gemeinden zu stärkeren Landgemeinden zusammenschliessen, um ihre Entwicklungspotenziale besser zu nutzen und die Professionalität der Dienstleistungen zu erhöhen.

Dem bleibt eigentlich nichts mehr zuzufügen. Solange dies die Stossrichtung von GeRAG ist, kann ich nicht zustimmen. Daher werde ich in der Schlussabstimmung die Anträge 1 – 5 ablehnen.

Mein Votum zur Kreditvorlage: Mehr...

Volksabstimmung vom 27. September 2009: Mehr...

Der Grosse Rat stimmte den Anträgen am 4.11.08 mit 74:51 Stimmen zu.